Karate in Namibia Teil 2

Ein Bericht von Lothar Strolo.

Heute melde ich mal wieder aus dem sonnigen Swakopmund in Namibia, Süd West Afrika.

Letzten Mittwoch endete das erste Trimester in unserem Dojo hier, der Shotokan Academy Swakopmund, Namibia, unter Leitung von Sensei Waldemar Swart, 5. Dan.

Da geht´s auch schon gleich los mit dem Ungewöhnlichen … „Trimester“. Wie ihr vielleicht wisst, sind die Jahreszeiten hier genau umgedreht zu Deutschland, hier ist also derzeit Spätherbst, bei euch Spätfrühling. Weihnachten ist hier in Afrika Hochsommer mit acht Wochen Schulferien. Im Inland ist es dann sehr heiß, bis ca. 48 Grad Celsius und da möchte niemand die Schulbank drücken. Wegen diesen zwei Monaten Ferien gibt es also Trimester und keine Halbjahresabschnitte wie in Deutschland – und das in der Schule wie im Sport.

In meinem ersten Bericht hatte ich ja schon erwähnt, dass Karate hier ein viel höheres Ansehen genießt, als bei uns und die Beteiligung sehr viel höher ist. Die Qualität des Trainings ist sehr hoch und es wird traditionelles Shotokan Karate gelehrt. Allein in meinem Dojo hier sind 17 JKA-Weltmeister, darunter auch Schüler und Jugendliche! Unter anderem kommt ein neunjähriges Mädchen als jüngste Danträgerin Namibias aus Sensei Waldemars Schmiede.

In Namibia, das mehr als doppelt so groß ist wie Deutschland, leben nur 2,4 Mio Menschen, also ungefähr soviel wie in Hamburg. Das monatliche Grundeinkommen liegt bei ca. 2.500 Namibia Dollar und der Karatebeitrag liegt bei 700,- N$ im Jahr. Das können sich leider nicht viele Einheimische leisten. Karate ist ca. drei mal so teuer wie bei uns in Deutschland. Trotzdem üben so ungefähr 2.000 Sportler Karate aus, somit ist natürlich die Chance hier in die Nationalkader zu kommen wesentlich höher und Sensei Swart, fährt dann mit dem Kader nach USA, Italien etc. und nimmt an den Weltmeisterschaften teil, so erklärt sich die hohe Zahl der Weltmeister hier im Dojo.

So, genug mit der Einleitung, ich möchte euch gern von unserem letzten „Grading“ also der Kyu-Prüfung berichten, welches letzten Mittwoch stattgefunden hat.

Die gesamte Oberstufe hat bei so einem Grading anzutreten, wobei alle Braungurte als fleißige Helferlein überall herumsausen und alle Dan-Träger als Richter fungieren und im Kampfrichteranzug (graue Hose, weißes Hemd, blaues Jackett) zu erscheinen haben. Wir haben hier keine Turnhallen wie in Deutschland, daher findet das Training und die Prüfungen in der Stadthalle auf „irreglatten“ Parkettfußboden statt. Der Vorteil des großen Saales und der Bühne ist, dass alle Richter oben auf der Tribüne sitzen und eine sehr guten Überblick haben. Unten auf dem Hallenboden sind in einem Meter Abstand versetzte Markierungen aufgeklebt, so stehen die Prüflinge alle seitlich versetzt und sind sehr gut zu beurteilen. Links am Richtertisch sitzen zwei Sensei, selbst Dojoleiter aus anderen Städten als Hauptrichter. Sensei Valdemar fungiert nur unten auf dem Parkett als Trainer und Prüfungsleiter. Ein riesen Verwaltungsaufwand erfordert schlicht die Menge der Prüflinge. Mit allein 98 Weissgurten aufgeteilt in Zwölfer-Gruppen ging es dann los. Bei uns total unbekannt, hält der höchste anwesende Dan ein Gebet für die Kinder, Eltern und Mitglieder ab, bei dem auch unserer beiden 9 und 12 Jahre alten Mädchen gedacht wurde, die vor Ostern bei einem tragischen Verkehrsunfall verstorben sind.

Dann ging es aber los. Jeder Prüfling hat einen eigenen Prüfungsbogen. Ein hierfür eingeteilter Richter ruft dann jedes Kind einzeln auf und bringt es zu seiner Markierung. Gleichzeitig erhält ein Prüfer auf der Tribühne den jeweiligen Prüfungsbogen und bestätigt dem Richter in der Halle, dass er auch das richtige Kind zugewiesen bekommen hat. Sind dann alle Kiddies aufgereiht, geht´s los: Kihon, Kata und Kumite. Hier sind jeweils zehn Punkte zu erreichen, der Prüfling muß also mindestens 15 oder mehr Punkte erreichen um zu bestehen. Ich hab euch mal so einen Bogen fotografiert, Hammer was da alles bewertet wird. In dem Feld „Grading Criteria“ wird angekreuzt, was noch nicht so gut war und unter General Remarks, kann man Kommentare und Ratschläge eintragen. Danach werden die Bögen von den beiden Hauptrichtern geprüft und es wird endgültig entschieden. Am Ende der Prüfung erhält jeder Teilnehmer seinen Bogen und weiß genau wo er noch dran arbeiten muß, tolle Sache.

Aber soooooo schnell geht´s hier nicht mit der Karriere. Ich zähle euch mal die Gürtelstufen auf. Los geht es mit dem 9. Kyu (Weiß), dann ist Gelb aber schon auf 3 weiße Balken aufgeteilt, die man alle zu bestehen hat um zum 7. Kyu (Grün) zu kommen und so geht das durch alle Farben. Der Karateka kann wegen der vorher beschriebenen „Trimester“ pro Jahr nicht einmal einen Kyu aufsteigen. Da das für die Oberstufe noch zu schnell geht, sind nach „Braun“ noch drei Rote Gürtel (wieder mit dem weißen Balken) eingebaut und vor der Dan Prüfung muß ein Dan-Anwärter vor dem gesamten Richterteam ein Pregrading (Vorprüfung inklusive zwei DIN A4 Seiten schriftlicher Prüfung) ablegen bevor er sechs Monate später zur eigentlichen Prüfung zugelassen wird. Qualität geht hier eindeutig vor Zeit.

Damit ihr nachvollziehen könnt wie hoch die Anforderungen sind, die Blau und Braungurte wurden prüfungsmäßig zusammen gefasst und lieferten folgende Kata ab: Heian Godan, Tekki Shodan, Bassai Dai und Jion. Das sind schon mal Hausnummern oder?

Und bei dem Thema Hausnummern muß ich noch erwähnen das ca 300 Gäste (Eltern und Verwandte) anwesend waren. Eine super Küchencrew versorgte ca. 25 Richter und 178 Prüflinge mit leckeren Burgern und kühlen Getränken. Wir haben pünktlich um 17:30 begonnen und um 21:40 waren die letzten durch.

Fazit: In Afrika, ist meistens alles irgendwie größer, die Berge, die Tiere, die Wüsten und die Kyuprüfungen.